NRZ 21.2.2003 - Die Seite Drei - "Wir tun was"

Zeitungs-Artikel als JPG-Datei   (189 KBytes)

Was hängt auf unserem "Firmen-Klo" ;-)
Was ist ein Kunde (.pdf)   (32 KBytes)
Unser Kunde (.pdf)   (32 KBytes)


"Motivation auf dem Firmenklo"

UNTERNEHMEN / Altes Handwerk und moderne Technologie
schließen sich bei Glasermeister Dirk Lankermann nicht aus.


MICHAEL SCHWARZ

DUISBURG.
Jung? Ja. Dynamisch? Ja. Erfolglos? Ein klares Nein! Dirk Lankermann ist der Typ erfolgreicher Geschäftsmann: Ein großer, blonder Sunnyboy, der auf den ersten Blick sympathisch wirkt, durch Rhethorik und technisches Wissen beeindruckt. Schon als achtjähriger Schüler begann er, sich intensiv mit Bits und Bytes zu beschäftigen. Schnell galt er im Freundeskreis als Computer-Freak. Sein beruflicher Werdegang schien programmiert. Doch in den Vorstandsetagen eines bedeutenden IT-Unternehmens sucht man den 31-Jährigen heute vergebens.
   Dirk Lankermann entschloss sich bereits früh, in den ältesten Handwerksbetrieb am Niederrhein, die Glas-Firma Scholl, einzusteigen. Vor sechs Jahren übernahm er das traditionsreiche Geschäft von seinem Vater Arnold. Ein Schritt, den der Glasermeister nie bereut hat. Mittlerweile führt er im Duisburger Industriegebiet Neuenkamp ein modernes Kleinunternehmen mit zehn Mitarbeitern. Und hat damit so einigen Freunden aus der Schulzeit etwas voraus: Viele gingen in die damals boomende Computerbranche - und sind heute arbeitslos.

Der Markt ist hart umkämpft
   "Durchblick" kündigt das Plakat für Türen im Foyer der Glas-Firma an. Und den muss auch Lankermann stets bewahren. Der Markt ist hart umkämpft, die Konjunkturflaute hinterlässt ihre Spuren. "Da muss man schon sehr genau rechnen", sagt der Unternehmer. "Die Einnahmen sinken, Kosten explodieren." Alleine die Einträge in Telefonbuch und "Gelbe Seiten" verschlängen 20 000 Euro im Jahr. Und darauf könne man keinesfalls verzichten. Werbung sei das A und O! Das größte Problem sei derzeit aber die Zahlungsmoral vieler Leute, hat der Glasermeister festgestellt, "denn was nützen alle Aufträge, wenn sie später nicht bezahlt werden." Doch Lamentieren liegt dem 31-Jährigen nicht. Die Arbeit mache trotz schwieriger Wirtschaftslage immer noch Spaß, versichert er. Auch wenn er seit Jahren keinen Urlaub mehr hatte.


(Foto: Hans Hartwig)

   Rund um die Uhr ist Lankermann für den Betrieb im Einsatz. Und das ist keine Floskel. Über Handy ist er wirklich jederzeit erreichbar. Nicht nur die zwölf bis 14 Stunden, die er täglich im Büro oder bei Kunden verbringt, auch in der Nacht und am Wochenende. 365 Tage im Jahr. "Glas-Notdienst" heißt der Service. Bittet um 21 Uhr noch kurz ein Architekt zum Gespräch, oder muss um vier Uhr morgens eine zerborstene Scheibe ausgetauscht werden, Lankermann ist zur Stelle. Es passiere allerdings auch schon mal, dass er von Besoffenen aus dem Bett geklingelt werde, oder sich eine alte Dame nur mal eben nach dem Preis für eine Tischglasplatte erkundigen wolle, schmunzelt der Firmenchef. Er nimmt solche Anrufe locker. Das gehört zum Geschäft. Und der Kunde ist halt König.
   Dieses Credo impft der Chef auch seinem Team ein. In der Werkstatt und auf der Toilette ("Dort hat man die meiste Zeit zum Lesen") weisen Schilder die Mitarbeiter darauf hin, was der Kunde ist: nämlich die wichtigste Person im Unternehmen. Dass diese Vorgabe keine hohle Phrase ist, beweist nicht zuletzt der Handwerkspreis des Bundes Deutscher Architekten. Den erhielt der Betrieb 2001. Für einen "reibungslosen Ablauf auf der Baustelle" - wie es in der Begründung so schön heißt.

Kunstverglasungen für Kirchenfenster
   Zudem legt Lankermann viel Wert auf ein gutes Betriebsklima, das fördere die Motivation. "Die Chemie stimmt", bestätigt auch Markus Fingerhut, der gerade eine Schreibtisch-Glasplatte auf den Millimeter genau zuschneidet. Seit zehn Jahren arbeitet der Geselle bei Scholl.
   In dieser Zeit hat sich das Angebot der Firma immer mehr der Nachfrage angepasst. Aufwändige Kunstverglasungen, zum Beispiel Kirchenfenster, für die der Handwerksbetrieb seit seiner Gründung 1727 berühmt ist und bis nach Südamerika exportiert hat, werden nur noch selten verlangt. Gefertigt wird mittlerweile fast alles: bis zu modernen Sandstrahldekoren, die am Computer entworfen und dann aufs Glas gezaubert werden. "Unser Renner sind derzeit auf Maß angefertigte Glasduschen und Glasschiebetüren als Raumteiler", berichtet Lankermann. Darüber hinaus produziert der 31-Jährige jetzt auch Werbebeschriftungen und Kunststofffenster - Innovationen und Service sind gefragt.
   Dazu gehört natürlich ebenso eine informative Internet-Seite. Den wirklich gelungenen Online-Auftritt hat Dirk Lankermann übrigens selbst programmiert. Schließlich ist er ja auch ein Computer-Experte. (NRZ)

20.02.2003 MICHAEL SCHWARZ